Fragen & Antworten
zum Rückbau von Kraftwerken
Das im Juni 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung hat die Verantwortlichkeiten für Stilllegung und den Abbau der Kernkraftwerke sowie für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle neu geregelt. Die Kraftwerksbetreiber sind demnach für Stilllegung und Abbau der Kernkraftwerke, einschließlich der Entsorgung sowie der fachgerechten Verpackung der radioaktiven Abfälle zuständig. Die Durchführung und Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung liegt in der Verantwortung des Bundes.
Die Nachbetriebsphase beginnt, sobald ein Kernkraftwerk den Leistungsbetrieb einstellt, also endgültig keinen Strom mehr produziert. Die Nachbetriebsphase endet mit der Erteilung einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung.
Für die Stilllegung bedarf es besonderer Genehmigungen auf Basis der Stilllegungsplanung, die der Betreiber vornimmt. Gegenstand dieser Planungen sind u.a. die genaue Erfassung sämtlicher Anlagenteile innerhalb der Bereiche, in dem Material radioaktiver Strahlung ausgesetzt war – und des radioaktiven Inventars. Beschrieben werden müssen die Abfolge des geplanten Abbaus, die zur Dekontamination einzusetzenden Techniken und die geplanten Entsorgungswege. Wichtige Aufgabe der Planungsphase ist die Erstellung eines Konzepts zur Behandlung und Verpackung radioaktiver Abfälle. Zu diesem Zeitpunkt müssen alle entsprechenden Maßnahmen, wie z.B. der Beginn der Entsorgung der Brennelemente, ausnahmslos von der (noch geltenden) Betriebserlaubnis gedeckt sein.
Der Begriff „stilllegen“ wird häufig mit „abschalten“ gleichgesetzt. Die Stilllegung, wie das Atomgesetz sie vorschreibt, beginnt erst nach Durchlaufen eines Genehmigungsverfahrens und Erteilung einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung. Der Rückbau – oft wird Abbau als Synonym verwendet – selbst kann erst nach Erteilung der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung beginnen. Der Zeitraum, auf den sich die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung erstreckt, endet mit der endgültigen Entlassung der Anlage aus dem Atomgesetz.
In der Abbauphase werden die Anlagenteile demontiert. Noch vorhandene Strahlung des radioaktiv belasteten Inventars der Anlagen und die Anlagenteile können vor oder nach der Demontage durch Dekontamination reduziert werden. Der überwiegende Teil des Materials kann so weit dekontaminiert werden, dass es unter behördlicher Kontrolle freigegeben und dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden kann. Der sichere Einschluss der Radioaktivität ist bei der Stilllegung und dem Abbau weiterhin ein wesentliches Schutzziel und wird durch den Weiterbetrieb z.B. von Lüftungssystemen gewährleistet. Die für jedes Kraftwerk individuell erteilte Stilllegungs- und Abbaugenehmigung gibt die Grenzwerte für die maximal zulässige Ableitung von radioaktiven Stoffen mit Abluft und Abwasser vor. Durch Filterung der Abluft und Reinigung der Abwässer werden diese Werte in der Praxis weit unterschritten.
Um den Abbau beginnen zu können, bedarf es für kerntechnische Anlagen in Deutschland einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung gemäß § 7 Absatz 3 Atomgesetz. Für den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung müssen bei der jeweiligen Landesbehörde des Bundeslandes, in dem sich die Anlage befindet, festgelegte Unterlagen und Informationen vorgelegt werden. In diesen sind u.a. die geplante Abbauvorgehensweise, die anzuwendenden Verfahren, die Auswirkungen auf die Umwelt sowie die Vorkehrungen des Strahlenschutzes darzulegen. Bestandteil des Verfahrens ist ebenfalls eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung sowie die Beteiligung der Öffentlichkeit am Verfahren. Hierbei besteht die Möglichkeit, Einwendungen gegen das Vorhaben zu erheben, die in einem sog. Erörterungstermin unter Federführung der Genehmigungsbehörde unter Beteiligung des Antragstellers erörtert werden. Die eingereichten Unterlagen lässt die Behörde von einem Sachverständigen, meist dem TÜV, prüfen, bevor, nach möglichen Änderungen und Ergänzungen oder verbunden mit Auflagen, eine Genehmigung für Stilllegung und Abbau von der Behörde erteilt wird. Das Bundesumweltministerium wird im Rahmen der Bundesaufsicht im letzten Schritt ebenfalls beteiligt und bezieht ihrerseits die Beratungsgremien, u.a. die Entsorgungskommission, in den Prozess mit ein.
Es kann deshalb einige Jahre dauern, bevor eine Stilllegungs- und Abbaugenehmigung erteilt wird. Nach deren Erteilung bzw. Inanspruchnahme kann das Kraftwerk stillgelegt und abgebaut werden.
In Deutschland gibt es bereits umfassende Erfahrungen zur Lösung der technisch und organisatorisch anspruchsvollen Aufgabe der Stilllegung und des Abbaus von Kernkraftwerken. Planung und Durchführung erfordern Spezialkenntnisse, die bei RWE bereits aufgrund erfolgreich abgeschlossener Projekte vorhanden sind. Sie werden unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen und eigener Innovationen ständig erweitert.
Insbesondere die Planung eines zügigen und vor allem sicheren Rückbaus ist eine ambitionierte Aufgabe, die neue Methoden erfordert. RWE hat dafür über seine Kernkraftwerksstandorte hinweg alle Prozessschritte des Rückbaus unter die Lupe genommen – vom Antrag der Abbaugenehmigung bis hin zur Entlassung aus dem Atomgesetz. Entstanden ist dabei der „Integrierte Rückbauprozess“ (IRP), der die Grundlage für die operative Umsetzung sowie für die Steuerung der Organisation bildet. Die komplexe Aufgabe des Rückbaus ist durch den IRP in kleine Pakete aufgeteilt. Ähnlich wie in der Automobilindustrie, werden sie in einem Takt, quasi wie am Fließband bearbeitet. Die einzelnen Abbautätigkeiten werden aufeinander abgestimmt und greifen ineinander. Dank dieser Vorgehensweise ist der Rückbau gut kontrollierbar und sicher zu bewältigen.
Zunächst teilen die Planer das Kraftwerk in Raumbereiche auf, die vergleichbare Tätigkeiten und Abbauumfänge aufweisen. Dann schätzen sie den Arbeitsaufwand für jede Abbaumaßnahme ein und erfassen dies in einem sogenannten Taktplan. Das abgebaute Material wird nach seinen Eigenschaften (z.B. Kabel, Verkleidungen, Rohrleitungen, Pumpen) getrennt voneinander abgebaut und so zerlegt, dass es die Reinigung (Dekontamination) und die Freigabe – also das Verlassen des Kontrollbereichs – in einer Transportbox absolvieren kann. Aufgrund ihrer Material-Eigenschaften durchlaufen abgebaute Komponenten im weiteren Prozess zur Bearbeitung und Behandlung eine festgelegte Abfolge von Stationen. Eine industrielle Logik standardisierter Abläufe entsteht, denn jeder abgebaute Reststoff wird einem vordefinierten Stoffstrom zugeordnet. An den Standorten Lingen, Biblis und Gundremmingen entstehen moderne Einrichtungen zur Bearbeitung und Behandlung der beim Rückbau anfallenden Materialien: unsere Rückbaufabriken.
Ziele des industriellen Rückbaus von RWE sind:
Beim Rückbau eines Kraftwerks werden vorrangig konventionelle, etablierte Demontage- und Zerlegetechniken eingesetzt. Sämtliche Anlagenteile müssen ausgebaut und in handhabbare Stücke zerlegt werden, um die Voraussetzung für das Reststoff-- und Abfallmanagement zu schaffen.
Der Rückbau einer Anlage verlangt aber auch nach technischen Speziallösungen: Sowohl der Abbau kleiner, wenig oder gar nicht kontaminierter Metallteile wie z.B. Rohre als auch der Abbau und die Zerlegung stark aktivierter, dickwandiger Teile, z.B. Reaktordruckbehälter erfordern den Einsatz spezieller Verfahren. Ein Teil dieser Arbeiten muss aus Gründen des Strahlenschutzes fernbedient durchgeführt werden oder zur Abschirmung unter Wasser erfolgen.
Für die Vielfalt an Aufgaben stehen entsprechend unterschiedliche bereits praxiserprobte thermische und mechanische Zerlegetechniken zur Verfügung. Zu den mechanischen Verfahren zählen Sägen, Seilsägen, Fräsen, Trennschleifen, Scheren und Wasser-Abrasivstrahlschneiden. Thermische Techniken sind autogenes Brennschneiden, Plasmaschneiden und Lichtbogenschneiden.
Alternativ zur Zerlegung vor Ort kann es alternativ sinnvoll sein, Großkomponenten wie z.B. Dampferzeuger zur weiteren Verarbeitung zu geeigneten Zerlegefachunternehmen zu transportieren.
Ein wichtiges Gebot beim Rückbau von Kernkraftwerken ist die Minimierung der Abfälle. Nur ein kleiner Teil der Gesamtmasse eines Kernkraftwerks ist während des Betriebs kontaminiert oder aktiviert worden. Im Fall einer Kontamination kann der allergrößte Teil durch Dekontamination so weit gereinigt werden, dass das Material
Im Rückbauablauf spielt Dekontamination an zwei Stellen eine besonders wichtige Rolle:
Vor Beginn der Abbauarbeiten werden Kreisläufe und Räume dekontaminiert, um die Strahlenbelastung des Personals zu reduzieren. Dabei werden oft nicht nur die oberflächlich abgelagerten Radionuklide abgetragen, sondern auch eine dünne Schicht des Materials selbst.
Bereits abgebaute Anlagenteile werden häufig erneut dekontaminiert, um sie im Anschluss freigeben zu können, also sie aus dem Geltungsbereich des Atomgesetzes zu entlassen und zu entsorgen.
Jedes Kernkraftwerk hat einen sog. Kontrollbereich, der während des Betriebs und auch danach besonders strengen Freigaberegelungen für das dort befindliche Material unterliegt. Buchstäblich jeder Stein und jede Schraube aus dem Kontrollbereich durchläuft ein detailliertes Prüfverfahren (Freigabe) unter enger Kontrolle der zuständigen Aufsichtsbehörden. Stoffe, die einen gesetzlichen Grenzwert für Radioaktivität unterschreiten, dürfen nach der formalen sogenannten uneingeschränkten Freigabe in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt oder entsorgt werden.
Wie jede industrielle Anlage besteht auch ein Kernkraftwerk aus unterschiedlichen Materialien, die auf verschiedene Weise recycelt oder entsorgt werden. Dabei unterscheidet sich die Vorgehensweise zunächst dadurch, ob sie sich im sogenannten Kontrollbereich eines Kernkraftwerks -also dem Bereich, in dem Material radioaktiver Strahlung ausgesetzt werden kann- oder außerhalb dessen befinden.
Der überwiegende Teil der Abfälle beim Rückbau unterscheidet sich nicht von Material, das auch beim Abbruch anderer Industrieanlagen anfällt: Beton, Glas, Kabel, Stähle oder Kunststoff bilden mit rund 90% den Hauptanteil eines Kernkraftwerks. Für diese Abfälle gilt, was auch für Abfälle aus Privathaushalten gilt: Was immer recycelt werden kann, wird recycelt, der Rest wird, wie z.B. Hausmüll, konventionell entsorgt.
Bei den Reststoffen aus dem Kontrollbereich eines KKW – die nicht als radioaktiver Abfall einem Endlager zugeführt werden - gibt es dafür nach dem Freimessverfahren ausschließlich zwei Wege. Nach sog. uneingeschränkter Freigabe werden diese Stoffe in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt oder konventionell entsorgt. Abfälle mit spezifischer Freigabe werden immer als Abfall klassifiziert und durch Verbrennung oder Deponierung beseitigt.
Abfälle, die nicht freigegeben werden können, werden als radioaktiver Abfall fachgerecht verpackt und an den Bund zur Endlagerung übergeben.