Szenarien des Weltklimarats IPCC und die Klimaschutzziele der Europäischen Union ergeben die Notwendigkeit negative CO2-Emissionen zu realisieren, um die auch zukünftig auftretenden, unvermeidbaren CO2-Emissionen mindestens zu kompensieren. Negative Emissionen bedeutet, Treibhausgase der Atmosphäre zu entnehmen, z.B. indem an die Umgebung abgegebene Verbrennungsabgase aus Industrieprozessen nur noch weniger CO2 enthalten als die Umgebungsluft oder CO2 aus der Umgebungsluft direkt abgetrennt wird. Verfahren zur direkten CO2-Abtrennung aus Luft (Direct Air Capture) sind bisher mit hohen CO2-Abtrennungskosten und hohem Energiebedarf verbunden.
Durch die Realisierung von höchsten CO2-Abtrennraten >98% an Aminwäschen oder mittels innovativer elektrochemischer Verfahrenskonzepte, können die CO2-Neutralität oder sogar negative Emissionen (Restgehalt CO2 <400 ppm) an Industrieanlagen erreicht werden – und dies mit technischen sowie wirtschaftlichen Vorteilen im Vergleich zu herkömmlichen DAC-Techniken.
Fünf Testkampagnen schließen Wissenslücken
Der Energiebedarf von Aminwäschen steigt im Bereich höchster Abscheideraten (>99,7%) mit denen sich negative CO2-Emissionen erreichen lassen, steil an. Es fehlen bisher Daten, um die Prozessperformance in diesem Bereich mit den existierenden Simulationsprogrammen vorherzusagen. In DRIVE werden diese Wissenslücken mit den Ergebnissen aus insgesamt fünf Testkampagnen an der CO2-Wäsche-Pilotanlage in Niederaußem mit einer Gesamtdauer von 14 Monaten geschlossen. Für die Realisierung der Fahrweise ist es nicht notwendig, die Pilotanlage baulich zu verändern oder Komponenten nachzurüsten.
Einem ganzheitlichen Ansatz folgend werden eine Vielzahl von Prozessparametern sowie Emissionen und Waschmittelverbrauch untersucht. Durch die Langzeiterprobung der Fahrweise mit höchsten CO2-Abscheidungsraten über rund 10.000 Stunden im 24/7-Betrieb werden für die Auslegung industrieller Anwendungen belastbare Ergebnisse erzielt. Die Analyse der Testdaten erlaubt die optimierte Auslegung von CO2-Wäschen für höchste Abscheideraten und ermöglicht eine detaillierte wirtschaftliche Bewertung.
Das Projekt im Überblick
DRIVE (Deep Removal of CO2 and InnoVative Electrification concepts) startete im Dezember 2023 und ist ein CETP-Projekt (Clean Energy Transition Partnership), das über drei Jahre läuft. In dem internationalen Verbundprojekt arbeiten TNO als Koordinator, RWE Power AG, CEMEX, Hovyu, die Heriot-Watt University, das Instituto de Engenharia Mecanica, das Institouto Anaptixis Epicheirimatikotitas Astiki Etaireia, SSE Thermal Generation, Total Energies und die Technische Universiteit Eindhoven zusammen. Neben den Arbeiten in Niederaußem werden von den Partnern zwei alternative Abtrenntechniken getestet, die statt Aminen wässrige Lösungen von Hydroxiden verwenden. Die hier bei der Abtrennung im Waschmittel gebildeten Hydrogenkarbonate werden nicht durch Temperaturerhöhung regeneriert sondern elektrochemisch, was bei höchsten Abtrennraten Vorteile bieten könnte. Systeme von den Partnern TNO und Hovyu wurden bereits im Technikumsmaßstab getestet und sollen im Rahmen von DRIVE nach weiterer Optimierung unter realen Betriebsbedingungen erprobt werden.