Süddeutsche Zeitung vom 13.11.2024

„Es gibt in Teilen der Politik großes Misstrauen gegenüber Unternehmen“

Markus Krebber | RWE AG

Herr Krebber, RWE ist drittgrößter Ökostrom-Produzent in den USA. Nun ist Donald Trump gewählt, der gern mal über Windräder witzelt und ein Fan fossiler Energien ist. Wird Trump Ihr Geschäft ausbremsen?

Die Investitionen in Erneuerbare Energien haben positive Effekte auf die amerikanische Wirtschaft und sie schaffen Arbeitsplätze. Das sehen wir auch in vielen republikanischen Staaten. Ich bin nicht beunruhigt. Auch weil Donald Trump schon einmal amerikanischer Präsident war. In seiner ersten Amtszeit wurden die Erneuerbaren stark ausgebaut. 

Aber nicht so stark wie unter Joe Biden.

Das stimmt. Aber die Nachfrage nach Erneuerbaren Energien wird weiter kräftig steigen. Wir erleben ein starkes Wirtschaftswachstum in den USA. Außerdem nimmt der Strombedarf durch Rechenzentren und den KI-Boom enorm zu. Und die Tech-Konzerne wollen grünen Strom kaufen. Es hängt ja nicht alles an der Politik.

Also alles prima mit Trump?

Die Unsicherheit ist nach so einem Machtwechsel schon etwas größer, zum Beispiel wegen der Handelspolitik und den Folgen für die Lieferketten. Wir treten bei unseren Investitionen ein wenig auf die Bremse, bis mehr Klarheit herrscht. Aber das hat ja keine Folgen für unser bereits bestehendes US Geschäft. 

Sie haben gerade angekündigt, für bis zu 1,5 Milliarden Euro Aktien zurückzukaufen, also Geld letztlich an die Aktionäre zurückzugeben. Sie begründen das damit, dass sich Investitionen in Erneuerbare verzögern und Mittel deshalb nicht sofort gebraucht werden. Liegen diese Verzögerungen an Trumps Wahlsieg?

Unsere Wachstumsstrategie setzten wir konsequent fort und wir werden weiter investieren. In den kommenden Jahren jeweils rund 7 Milliarden Euro. Allerdings glauben wir dass sich der Offshore Ausbau in den USA verzögern könnte, ebenso wie der Wasserstoffhochlauf in Europa. Deshalb nutzen wir das hierfür vorgesehene Kapital jetzt erst mal für einen Aktienrückkauf. Das ist im aktuellen Kursumfeld attraktiv und stiftet Wert für unsere Aktionäre.

Trump könnte neue Zölle einführen und Handelskriege starten. Wie würde sich das auf RWEs Geschäft in den USA auswirken?

Solarpanels, Batterien oder Teile von Windkraftanlagen haben verzweigte internationale Lieferketten. Natürlich müssen wir dann im Zweifel neu sortieren. Wir schauen aber schon jetzt, dass wir bei laufenden  Bauprojekten später keine Engpässe bekommen, weil  fehlende Teile vielleicht nicht mehr ins Land kommen. Wir haben außerdem vor einiger Zeit angefangen, unsere Lieferketten widerstandsfähiger zu machen. Sie können zum Beispiel schon jetzt keine Solarpanele mehr aus China in die USA importieren. Wir nutzen nun andere südostasiatische Lieferländer. Auch in den USA selbst werden Solarpanele produziert.

Gelingt etwa Trumps Idee, dass er mit Zöllen wieder Fabriken und Arbeitsplätze ins Land holen kann?

In Teilen wird das gelingen. Aber es gibt auch dabei erhebliche Herausforderungen. Es ist auch in den USA schwierig, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Das ist nicht anders als in Deutschland. Und das wird nicht leichter, wenn es Zölle gibt. Außerdem wird in Amerika selbst durch Zölle alles teurer. Was wiederum die Inflation antreibt.

Die USA hat gewählt. In Deutschland soll nun Ende Februar gewählt werden. Ist das ein guter Termin oder kommt er zu spät?

Es ist gut das es rasch Neuwahlen gibt. Die deutsche Politik muss wieder handlungsfähig sein, auch damit Deutschland seine Rolle in der EU ausfüllen kann. Eine lange Hängepartie hätte das Vertrauen in der Bevölkerung erschüttern können.

Welche Dinge müsste eine neue Regierung schnell angehen?

Generell gilt: Wir brauchen mehr wirtschaftliche Vernunft bei der Energiewende. Die Energiewende ist richtig. Aber Deutschland versucht alles gleichzeitig zu machen. Wir müssen dort zuerst dekarbonisieren, wo es günstiger ist. Und das, was teurer ist, später machen. Mit dann weiter entwickelten Technologien. 

Was ist denn das, was günstiger ist?

Das sollte  kein Politiker entscheiden. Wir müssen stärker auf das marktbasierte System setzen: den CO2-Emissionshandel der EU. Was wir nicht brauchen, ist diese ganze Überregulierung.

Nennen Sie mal ein Beispiel! 

Für neue Gaskraftwerke wollte die Regierung zuletzt ganz genau festgelegen, wann die Anlage auf einen klimafreundlichen Brennstoff umsteigen muss, oder es wird sehr restriktiv definiert, wann Wasserstoff oder eine Batterie als grün gelten. Das bringt keinerlei zusätzliche CO2-Einsparung, denn die wird schon vom Emissionshandel erzwungen. Die Überregulierung verteuert die Energiewende. Dazu kommt überbordende Bürokratie, wie die ganze Nachhaltigkeitsberichterstattung etwa. Die kostet sehr viel Arbeitszeit und bringt wenig. Diese Berichte wird niemand lesen.

Wie viele Menschen sind bei RWE mit dem Sammeln und Veröffentlichen der Nachhaltigkeits-Daten befasst?

Etwa 100 würde ich sagen. Nicht alle in Vollzeit, aber trotzdem ist das eine große Zahl dafür, dass man gar nicht weiß, was damit besser werden soll. 

Woher kommt diese Liebe zur detaillierten Vorschrift?

Es gibt zwei Gründe, und beide finde ich beunruhigend. Erstens herrscht der Irrglaube, genau festlegen zu können, was in den nächsten Jahrzehnten auf welche Weise gemacht werden soll. Planwirtschaft  funktioniert aber nicht. Zweitens gibt es in Teilen der Politik großes Misstrauen gegenüber Unternehmen. Das ist in anderen Ländern anders.

Sie beklagen Überregulierung, andere Manager schimpfen über die Bürokratie. Aber war Deutschland nicht schon immer bürokratisch und regulierungsfreudig?

In Zeiten in denen unsere Wirtschaft nicht mehr so stark ist wird überbordende  Regulierung zur besonderen Belastung. Das gilt besonders wenn Investitionsentscheidungen anstehen. Da überlegt man sich als Unternehmer genau, in welchem Land man investiert.

Weniger Regulierung, in Ordnung. Gibt es sonst noch etwas zu erledigen für eine neue Regierung?

Sie muss mit Sicherheit an die Netzentgelte ran.

Die Netzentgelte finanzieren Ausbau und Betrieb der Stromnetze, sie sind Teil der Stromrechnung der normalen Kunden, und sie steigen. Was wollen Sie hier ändern?

Je mehr Strom ein Haushalt verbraucht, desto mehr Netzentgelte zahlt er. Haushalte mit Solaranlagen zahlen also deutlich weniger, weil sie sich zum Teil selbst mit Strom versorgen. Zugleich verursachen aber Solaranlagen manchmal höhere Netzkosten, zum Beispiel, wenn mittags kräftig die Sonne scheint und die Anlagen mehr Strom produzieren als gebraucht wird. Diese Kosten tragen jene, die sich keine Solaranlagen leisten können und deshalb die vollen Netzentgelte zahlen. Das gehört geändert. 

Die vielen Menschen, die sich zuletzt Solarpanels auf den Balkon oder aufs Dach geschraubt haben, sollen weniger Geld für ihren eingespeisten Strom bekommen?

Nein, in bestehende Verträge sollte man nicht eingreifen. Vertrauensschutz ist wichtig. Aber wenn etwas in die falsche Richtung läuft, muss man gegensteuern.  Es wäre schon ein Anfang, wenn es für Besitzer von Solaranlagen Anreize gäbe, sich auch eine Batterie in den Keller zu stellen. Dann wären die Netze nicht so belastet.

Die Ampelregierung wollte den Bau von Gaskraftwerken subventionieren, damit das Land 2030 raus kann aus der Kohlekraft. Das Regierungs-Aus könnte die Ausschreibung für das Fördergeld verzögern.

Jeder weiß dass die Ausschreibungen für neue Kraftwerke schnell kommen müssen, damit wir eine Chance haben, diese Gaskraftwerke bis 2029 oder 2030 fertigzustellen. Das zeigen auch die hohen Ausschläge bei den Großhandelspreisen für Strom. Bei uns ist die Planung dieser Projekte in vollem Gange. Sobald wir den Vergütungsrahmen kennen, können wir auf den Start-Knopf drücken.

Glauben Sie denn, das diese Ausschreibungen trotz der Neuwahlen schnell kommen werden?

Das weiß ich nicht. Gebraucht wird es aber dringend.

Und wenn die Gaskraftwerke nicht rechtzeitig fertig sind, lassen Sie Ihre klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier weiter laufen?

Unser Ausstiegs-Fahrplan bis 2030 steht. Aber die Regierung hat die Möglichkeit, bis 2026 zu entscheiden, ob die letzten drei Gigawatt Kraftwerksleistung nicht stillgelegt, sondern in die Reserve genommen werden. Doch das wäre dann Sache des Staates, nicht unsere.

Sie wollen bis 2030 etwa 55 Milliarden Euro in Erneuerbare Energien, Batteriespeicher und wasserstofffähige Gaskraftwerke investieren, davon elf Milliarden Euro in Deutschland. Steht der Plan noch, oder verlagern Sie manche Investitionen lieber aus Deutschland ins Ausland?

Wir wollen weiter jedes Projekt realisieren das sich rechnet. Nur beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sind wir skeptisch ob das so rasch gelingt wie geplant.

Die Gaskraftwerke sollen später mit klimafreundlichem Wasserstoff betrieben werden. Aber grüner Wasserstoff ist sehr teuer. Wäre es billiger, die Kraftwerke weiter mit Erdgas zu betreiben, aber das entstehende CO2 abzuscheiden und zu speichern?

Auch diese Anlagen sind sehr teuer. Und die Gaskraftwerke werden nur wenige Stunden Strom produzieren, sie sollen ja nur dann laufen, wenn Wind- und Solarparks zu wenig Strom liefern. Deshalb wäre es an den meisten Standorten nicht wirtschaftlich, Gaskraftwerke mit Abscheidungsanlagen auszustatten. Es ist sinnvoller, einen dekarbonisierten Energieträger zum Kraftwerk zu bringen. Und neben grünem Wasserstoff sollten wir auch blauen nutzen.

Grün heißt Wasserstoff, wenn er mithilfe von Ökostrom gewonnen wird. Blau wird er genannt, wenn er aus Erdgas stammt, aber das CO2 abgespalten und gespeichert wird.

Genau. Für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, dürfen wir nicht nur auf grünen setzen, sondern müssen auch offen sein für blauen. Sonst fehlen uns die Mengen, die die Nutzer von Wasserstoff brauchen. Und dann bleiben die Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland aus.

© Süddeutsche Zeitung GmbH, München. Mit freundlicher Genehmigung von Süddeutsche Zeitung Content

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