Die Lösungen für eine sichere Energieversorgung und Klimaschutz sind da; sie müssen nur gebaut werden – und zwar schnell. Nordrhein-Westfalen und das Rheinische Revier bieten hierfür große Flächen und große Chancen.
Vor drei Monaten stand ich am Ufer eines Ozeans, zwischen Jülich, Düren und Inden, eine Schaufel in der Hand, bereit für den nächsten Spatenstich. Ich stand dort, wo eines Tages Menschen baden, Fische schwimmen und Vögel leben werden. Bis es so weit ist, bis sich der Tagebau Inden mit Wasser gefüllt hat und der ‚Indesche Ozean‘ entstanden ist, werden vier Jahrzehnte vergehen. Eine lange Zeit. Zeit, die nicht vertrödelt werden darf.
Spätestens 2030 will Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus Erneuerbaren Energiequellen beziehen. Zusätzlich plant die Bundesregierung schon übernächstes Jahr unabhängig von russischem Gas zu sein. Mit dem Osterpaket hat die Ampel-Koalition ehrgeizige Ziele formuliert: So sollen unter anderem jedes Jahr etwa 10 Gigawatt Kapazität für Freiflächen-Solaranlagen ausgeschrieben werden; das wäre eine Vervielfachung der aktuellen Ausbauraten. Das bedeutet: Deutschland muss bei der Energiewende den Turbo einlegen. Es braucht schnellere Genehmigungsverfahren, ausreichend Standorte und gute Ideen, wie man diese so effizient wie möglich nutzen kann.
Für Orte wie den Tagebau Inden heißt das: nicht warten, bis der letzte Bagger weg und der Tagebau geflutet ist, sondern gefragt sind kluge Lösungen – und zwar sofort. Es ist höchste Spatenstich-Zeit. In Deutschland will RWE jedes Wind- und jedes Solar-Projekt bauen, das möglich ist. Das Rheinische Revier bietet dafür beste Bedingungen: Hier kennen wir uns aus, hier haben wir eine gute Infrastruktur und ein lokales Netzwerk. Zugleich ist unsere Vergangenheit auch unser Auftrag, den gewaltigen Transformationsprozess mitzugestalten. Ideen, wie die riesigen Flächen sinnvoll genutzt werden könnten, haben wir viele.
Schon Ende dieses Sommers wird der Tagebau Inden nicht mehr nur Braunkohle, sondern auch Ökostrom für jährlich 7.200 Haushalte liefern. Der ‚indeland Solarpark‘ ist das erste von vier im Revier geplanten Photovoltaik-Speicher-Projekten und unsere europaweit erste Hybrid-Anlage: Dank integrierter Speicher kann die Energie aus den rund 26.500 Solarmodulen auch abgerufen werden, wenn die Sonne nicht scheint. Ende April war Baubeginn, Ende des Sommers geht die Anlage an den Start. Normalerweise braucht es in Deutschland inklusive der Genehmigungsverfahren zwei bis drei Jahre, bis mit dem Bau begonnen wird. In Inden hat es nur halb so lang gedauert - eine glückliche Ausnahme: Meistens verstreicht zu viel Zeit, bevor gebaut werden kann.
Bis 2030 will RWE in Nordrhein-Westfalen Erneuerbare Energien-Projekte mit einer Leistung von 1.000 Megawatt errichten: 600 Megawatt Windkraft-Kapazität (etwa 120 neue Windräder) und 400 Megawatt Solaranlagen-Kapazität (hierfür wollen wir 670.000 Module installieren, auf einer Fläche von ungefähr 500 Fußballfeldern). Mindestens die Hälfte der geplanten Kapazität entfällt auf das Rheinische Revier. In den nächsten Wochen geht zum Beispiel der Windpark Bedburg mit fünf Windkraftanlagen ans Netz. Diese fünf Anlagen können 28.000 Haushalte ein Jahr lang versorgen – mehr als die Bürger und Betriebe der Stadt Bedburg überhaupt verbrauchen.
Und so ist der ‚indeland Solarpark‘ nur eines von vielen Projekten. Denn sobald das Wasser für den künftigen See in den Tagebau fließt, sind auch schwimmende Solarmodule vorstellbar. Ein Blick ins Nachbarland zeigt, wie gut das funktioniert: In den Niederlanden hat RWE kürzlich ihre erste Floating-Photovoltaik-Anlage in Betrieb genommen. Seit Juli schwimmen rund 13.400 Solarmodule auf einem Kühlwassersee und produzieren grünen Strom. In Deutschland sind die Voraussetzungen für Floating PV nicht optimal: Die neuen Rahmenbedingungen des Osterpakets erschweren derzeit noch den Ausbau.
Eine Idee, wie man Flächen doppelt nutzen kann, sind Agri-Photovoltaik-Anlagen. Auf rekultivierten Tagebauböden und anderen Ackerflächen könnten nicht nur Obst, Gemüse und Getreide geerntet werden, sondern auch Sonnenenergie. Welche Sorten sich hierfür eignen, wie die Anlagen am besten zu konzipieren sind und wie Landwirte vor Ort einbezogen werden können - all das plant RWE in einem Demonstrationsprojekt im Rheinischen Revier zu testen, um auf dieser Basis weitere Agri-PV-Projekte zu entwickeln.
Eine Antwort auf die Frage, wie unsere Stromversorgung sicher bleiben und die Klimaziele erreicht werden können, lautet: Erneuerbare Energien und Speicher. Die Lösungen sind also längst da, sie müssen nur gebaut werden. In Deutschland stockte der Windkraft-Ausbau an Land im ersten Halbjahr; oft prallen die ehrgeizigen Ziele an langwierigen Verfahren ab – eine Herausforderung, vor der fast alle EU-Länder stehen und die nun gespannt auf die Bundesrepublik schauen: Wird es unserem Land gelingen, die Ausbauziele tatsächlich umzusetzen? Das Osterpaket und die noch für die zweite Jahreshälfte angekündigten Maßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungen könnten hier die Energiewende entfesseln. Es ist machbar, es kann gelingen. Mehr Spatenstiche sind zu schaffen. Wir von RWE leisten dazu unseren Beitrag: Jedes Erneuerbaren-Projekt, das möglich ist, werden wir machen.
© Rheinische Post