Während in diesen Tagen die wahrscheinlich zukünftigen Koalitionäre in Berlin über den neuen Koalitionsvertrag verhandeln, melden sich Leo Birnbaum und Markus Krebber mit einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu Wort. Beide sind sich einig, dass an der Energiewende kein Weg vorbeiführt. Die gute Nachricht: Wenn die Politik es richtig anpackt, dann gelingt nicht nur die Energiewende, sondern wir sparen im Energiesystem auch richtig viel Geld.
Deutschland steht an der Schwelle zum klimaneutralen Zeitalter. Im letzten Jahr hat der Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung 60 Prozent erreicht. Das ist ein gutes Zeichen und gibt Mut für die Strecke, die noch vor uns liegt. Klar ist aber auch, dass wir diese Strecke nicht mit der Energiewende alter Prägung schaffen werden. Was es jetzt braucht ist eine „Energiewende 2.0“, ein Neustart, der uns ins Ziel bringt, so sind sich die beiden Vorstandsvorsitzenden einig.
Wichtige Voraussetzung dafür ist, das Energiesystem zukünftig an einem realistischen Pfad auszurichten. Bisher orientiert sich die Energiesystemplanung in Deutschland an energiepolitischen Zielen, statt an einer realistischen Prognose der Stromnachfrage. Es gilt zu vermeiden, dass das Gesamtsystem und der Netzausbau am tatsächlichen Bedarf vorbeigebaut werden, was zu einer Überdimensionierung und vermeidbaren Kosten führt. Deshalb müssen sowohl der Umfang des geplanten Netzausbaus genauso wie die technologiespezifischen Erneuerbaren-Ausbauziele überprüft werden bevor teure Investitionsentscheidungen getroffen werden. Davon unberührt sollen die langfristigen Klimaschutzziele bleiben, insbesondere das im Abkommen von Paris festgelegte Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung und das langfristige Ziel der EU zur Erreichung der Klimaneutralität in 2050. Entscheidend ist, dass die Energiewende billiger wird – und das geht auch.
Dazu fordern die beiden Vorstandsvorsitzenden, den Ausbau von Netz und Erneuerbaren besser aufeinander abzustimmen, damit erneuerbare Energien zukünftig vorrangig dort gebaut werden, wo sie die geringsten zusätzlichen Systemkosten, insbesondere in Bezug auf den Infrastrukturausbau, verursachen. Zudem schlagen sie vor, das heutige EEG durch ein neues Marktregelwerk zu ersetzen und Investitionen in Erneuerbare langfristig über marktwirtschaftliche Maßnahmen abzusichern. Schließlich soll marktrationales Einspeiseverhalten von Erneuerbaren-Erzeugern stärker gefördert werden, um hohe Kosten in Stunden mit negativen Strompreisen zu vermeiden.
Ein weiterer Punkt, bei dem sich Markus Krebber und Leo Birnbaum einig sind, ist die übermäßige Regulierung des Energiesektors. In den letzten 25 Jahren hat die Politik über 15.000 Rechtsnormen auf den Weg gebracht, die die Verwirklichung des energiepolitischen Zieldreiecks – sicher, bezahlbar und klimaneutral – belasten und in Frage stellen. Krebber und Birnbaum plädieren daher für eine Verschlankung des überkomplexen Regelwerkes. Dabei entscheidend ist eine klare Zielhierarchie ohne Vollzugskonflikte gepaart mit schlanker und transparenter Förderung, wo nötig. Der europäische Zertifikatehandel (ETS) läuft nicht länger nebenher, sondern bildet den zentralen, alles überwölbenden Marktmechanismus, mit dem wir die Klimaneutralität erreichen werden.
Beide sind sich sicher: Die Energiewende wird erfolgreich sein, wenn sie sich weniger an starren Plänen orientiert, und stattdessen wieder mehr das Wohl des Ganzen in den Vordergrund stellt. So wie sich Energieprojekte vor Ort dadurch beweisen, dass sie konkreten Nutzen für Betroffene bringen, so muss die Energiewende als solches wieder stärker den Menschen in den Mittelpunkt stellen, ihn in seinen Anliegen ernst zu nehmen und auf Zurückhaltung konstruktiv eingehen. Die Energiewende 2.0 ist kein Projekt für irgendwann. Der Klimawandel sagt uns allen: Neustart ist jetzt.
Das vollständige Interview und ein gemeinsam Positionspapier von RWE und E.ON finden Sie auf unserer Website.